Die
zwölfte Isonzoschlacht
Berichte
aus dem deutschen Großen Hauptquartier vom 17. und 20. November
sowie 5. Dezember 1917
I.
Elf
Schlachten waren am Isonzo geschlagen. Ströme von Blut waren geflossen.
Geringer Geländegewinn war das mit ungeheuern Blutopfern erkaufte
Ergebnis für den Angreifer. Die zwölfte Schlacht sollte den
tapfern Verteidiger zu Boden werfen, sollte die letzte, die Entscheidungsschlacht
werden zum schnellen Siegeszuge nach Triest.
Da rütteln Germanenfäuste an Italiens Grenzmauer. Gewaltige
Schläge zerschmettern die Tore. In wenigen Stunden und Tagen stürzt
das Werk zweieinhalbjähriger Blutarbeit Italiens in Trümmer.
Reste einer vernichteten Armee fluten in die oberitalienische Tiefebene.
Deutschland und sein Bundesgenosse hetzen den Feind hinter den
Tagliamento.
In ehernen Strichen zeichnet die Weltgeschichte das Weltgericht: die Züchtigung
und den Zusammenbruch des Verräters am Dreibund! Namen sieggewohnter
Führer leuchten auf: General Otto v. Below führt die deutsche
XIV. Armee über die Alpen; Krafft v. Dellmensingen, der Schrecken
Rumäniens am Roten Turm-Paß, ist sein Generalstabschef; Major
Frhr. v. Willisen ist sein tatkräftiger unermüdlicher Erster
Generalstabsoffizier. Angriffsfrohe Divisionen, Preußen, Bayern,
Württemberger, folgen den bewährten Generalen v. Stein und v.
Berrer, brave österreichische Divisionen ihren Generalen v. Krauß
und über die schneebedeckten Gipfel der Julischen Alpen.
Im Becken von Krainburg und nördlich der Karawanken waren die Angriffsgruppen
der XIV. Armee versammelt worden. Dort wurde die Ausrüstung für
den Winterkrieg im Hochgebirge der Alpen vollendet. In angestrengter Arbeit
wurden dort die Angriffsvorbereitungen für den gewaltigen Durchbruch
betrieben, der die italienischen Gebirgsstellungen zwischen Flitsch und
Tolmein treffen und brechen sollte. In den engen Räumen der Becken
von Flitsch und Tolmein mußte die versammelte Armee zum Angriff
aufmarschieren. In diese Becken mußte die Armee vorgeschleust werden.
Auf etwa 60 km langen, schmalen Paßstraßen mit großen
Steigungen galt es, teilweise eine ganze Anzahl Divisionen hintereinander
und je etwa die Hälfte der Angriffsartillerie und Minenwerfergruppen
angesichts der beherrschenden, weiten Überblick gewährenden
feindlichen Stellungen vorzudrücken. Trotz schlechtem, ungünstigem
Wetter vollzog sich der Durchmarsch ohne Stocken und ohne Reibung. Ungeheuere
Arbeit wurde hier geleistet, nach mustergültiger, planvoller Vorarbeit.
In der elften Isonzoschlacht hatte Cadorna seine Hauptkräfte von
Tolmein bis zur Adria zusammengezogen, während die übrige lange
Gebirgsfront nur mit schwächern Kräften besetzt blieb. Die österreichisch-ungarische
Verteidigungslinie führte von Selo im Tolmeiner Becken über
Log östlich Mesnjak, von dort nach Süden über den Monte
S. Gabriele, die Wippach-Höhen östlich Görz zum Meere!
Nun sollte der Feind aus diesem für eine Defensive ungünstigen
Karst-Gebiet hinausgeworfen und zunächst bis hinter den Tagliamento
zurückgeschlagen werden. Für diese Operationen wurde im Anschluß
an den Südflügel der Heeresgruppe Conrad in Gegend des Rombon-Gebietes
die aus deutschen und österreichisch-ungarischen Divisionen gebildete
XIV. Armee Below in Linie Flitsch - Tolmein bereitgestellt. Der Nordflügel
der anschließenden Isonzo-Armee (Heeresgruppe Boroevic) hatte sich
dem Angriff mit starkem rechten Flügel südlich Selo anzuschließen,
während Mitte und Südflügel bei und südlich Görz
den Gegner durch Frontalangriff festhalten sollte. So standen in den Tagen
vor dem Angriff bereit: der Nordflügel der Armee Below (die österreichisch-ungarische,
durch deutsche Verbände verstärkte Gruppe Krauß) im Gelände
des Rombon und südöstlich die Stoßfront der Armee mit
Gruppe Stein im Gebiet des Krn und um Tolmein, mit Gruppe Berrer an Straße
Bischoflack-St. Lucia; mit Gruppe Scotti nördlich Tribusa schloß
sich der rechte Flügel der Isonzo-Armee an.
Das Kampfgebiet der XIV. Armee lag in dem von den Flußläufen
des Tagliamento und Isonzo bestimmten Gelände der Julischen Alpen.
In kühn emporstrebenden Gipfelformen fällt das Gebirge vom 2863
m hohen Triglav in Stufen hinab zu der etwa 100 m hoch gelegenen Ebene
von Cividale. Weithin beherrscht der Blick von den über 1000 m hohen
Randbergen die Ebene. Kein Mittelgebirge mildert den Übergang von
der Alpenwelt zur Tiefebene. Dreimal durchbricht im östlichen Teile
dieses Gebietes der Isonzo die Kampfzone. Nach seiner Vereinigung mit
der Koritnica im Becken von glitsch strömt er mit raschem Gefälle
in engem Tal gegen Karfreit. Nur vorübergehend verbreitert der Zufluß
der Idria das Flußbett, das sich im Gelände von Tolmein wieder
eng zusammenpreßt. Östlich des Isonzo beherrscht das schroffe
Krn-Massiv, dessen Hänge in nur 2 km Luftlinie von 2245 m Höhe
zu einer Talsohle von 180 m Höhenlage herabstürzen, das Kampfgelände.
Im Nordflügel des Angriffsfeldes erheben sich die wilden, kahlen
Felswände des Canin bis zu 2600 m Höhe und bis zu 2300 m absoluter
Höhe über dem Ort Saga. Ein Angriff vom Flitscher Becken aus
muß zunächst den Talweg bis Saga durchstoßen. Erst dort
öffnet sich der Ausgang nach Westen. Weiter südlich bilden die
Felsblöcke des Stol-Rückens, des Mt. Mia, Mt. Matajur und Mt.
Maggiore den Schauplatz der Angriffe. Weithin beherrscht der Mt. Matajur
das Tal von Karfreit. Ein Angriff auf die Matajur-Stellung kann nur über
die von Tolmein führende Landbrücke des Kolovrat-Rückens
durchgeführt werden. Die Bereitstellung der Armee Below in den beiden
engen Räumen des Flitscher Beckens und des Brückenkopfes von
Tolmein hatte den Nachteil räumlicher Trennung durch die auf dem
östlichen Isonzo-Ufer vom Südwesthange des Javorcek über
die Bate-Kuppe (2014 m) und den Krn (2245 m) in das Gelände westlich
Selo verlaufende Linienführung der italienischen Front, die Basis
für die Angriffsdurchführung - die anzustrebende, beide Gruppen
verbindende Talstraße Flitsch – Saga – Karfreit - Tolmein - mußte
deshalb in Angriff genommen werden. Die strategische Ausnutzung dieser
Verbindungstalstraße forderte als erstes, in ununterbrochenem, Tag
und Nacht fortzusetzenden Vorstoß zu erreichendes Angriffsziel die
Linie Canin - Punta di Mt. Maggiore - Mt. Mia - Mt. Matajur - Mt. San
Martino - Mt. Hum und Tribil-Höhen von Costanjevica. Von dieser Höhenlinie
aus sollte dann der allgemeine Angriff weiterstoßen bis zur Linie
Gemona - Tarcento - Cividale. Die Erfahrungen der Karpathen-, Vogesen-
und Alpenkämpfe wiesen der Angriffstaktik den Weg: schneller Vorstoß
in unaufhaltsamem Angriff über die verbindenden Landbrücken
von Höhe zu Höhe, Ausnutzung der Talstraßen zum Nachführen
der Artilleriereserven und des Nachschubes, Aufmeißeln beherrschender
Höhenstellungen durch umfassenden Angriff in Flanke und Rücken
und durch Umgehung, gegenseitige Unterstützung der Frontal- und Umfassungsgruppen.
Unter diesen Gesichtspunkten wurden zum Angriff und zum gleichzeitigen
Durchbruch an mehreren Stellen angesetzt: Gruppe Krauß als rechter
Flügel der XIV. Armee über Saga gegen den Stol-Rücken,
- eine starke linke Kolonne sollte nach Wegnahme des Vrsik mit Stoßrichtung
Ravna - Karfreit das Becken von Karfreit öffnen und den Stol-Rücken
von Osten aufrollen - Gruppe Stein wurde gegen den Mt. Matajur angesetzt.
Die Einnahme dieses Blockes öffnete das Becken von Karfreit von Südosten
und unterstützte so die gleichzeitige, demselben Zweck dienende Operation
der Gruppe Krauß. Die Gruppe Berrer wurde gegen den Mt. Hum und
zum gleichzeitigen Vorstoß über Drenchia gegen den San Martino
im Anschluß an Gruppe Stein angesetzt. Die Gruppe Scotti erhielt
den Auftrag, der Isonzo-Armee das Überschreiten des Isonzo zu erleichtern
mit dem Angriffsziel Globocak-Costanjevica. Mitte Oktober waren die Angriffsvorbereitungen
soweit vorgeschritten, daß der allgemeine Angriff für den Beginn
der dritten Oktoberwoche befohlen werden konnte. Bis in kleinste Einzelheiten
war der Plan festgelegt. Nach einem Gasschießen von 2 bis 6 Uhr
vormittags sollte bei Tagesanbruch die allgemeine Feuereröffnung
erfolgen. Nach kurzer höchster Feuersteigerung sollte der Einbruch
in die Stellungen auf der ganzen Frontlinie Flitsch-Selo stattfinden.
Ungünstiges Wetter verzögerte den Angriff um wenige Tage. Am
Abend des 23. Oktober erteilte General v. Below sollenden Befehl:
"Der Angriff findet am 24. Oktober statt. Allgemeine Feuereröffnung
6 Uhr 30 Minuten vormittags. Der Oberbefehlshaber von Below."
Diese knappen Worte sind klassisch und bleiben ein Musterbeispiel deutscher
Generalstabsarbeit. Diese zwei Sätze bezeichnen den Abschluß
einer Riesenarbeit an Gedanken, Plänen, strategischen und technischen
Vorbereitungen. Sie bezeichnen den Beginn des Stoßes, der Italiens
II. Armee zu Boden schmetterte. Weltgeschichte von ungeheurer Tragweite
liegt in diesen kurzen Worten, Weltgeschichte, erzwungen von deutschen
und österreichisch-ungarischen Waffen. Am 24. Oktober beginnt der
Angriff. Wenige Stunden später wankt die ins Herz getroffene II.
italienische Armee und fällt in Trümmer.
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